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Verwandtschaft im Graphen

In diesem Kapitel wird am Beispiel eines Ausschnitts der Daten des Projekts Nomen et Gens1 die Modellierung von Verwandtschaft in der Graphdatenbank neo4j dargestellt.2

Das Projekt Nomen et Gens

Das Projekt Nomen et Gens (NeG) zielt darauf ab, alle schriftlich belegten Namen und Personen Kontinentaleuropas in den vier Jahrhunderten vor Karl dem Großen (also von 400 bis 800 nach Christus) zu erfassen. Die Datenbank des Projekts geht auf ein erfolgreich abgeschlossenes DFG-Projekt zurück und wird aktuell von den Projektbeteiligten weiter betreut und sukzessive ausgebaut. Neben den Quellen der Personennennung, den unterschiedlichen Namensformen usw. werden auch die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen identifizierten Personen in der Datenbank abgelegt. Dabei werden bis zu 16 verschiedene Verwandtschaftsbeziehungen in der Datenbank gespeichert, wie z. B. Bruder, Schwester, Sohn, Tochter, Vater, Mutter, Onkel oder Nichte. Bei einem Personendatensatz werden dann jeweils die Verwandtschaftsbeziehungen aufgelistet, so dass man sich ggf. jeweils von Person zu Person durchklicken muss, bis man am Ziel angelangt ist.

Nomen et Gens im Graphen

Vor diesem Hintergrund bot es sich an, die Personen und die zugehörigen Verwandtschaftsbeziehungen in die Graphdatenbank neo4j zu transferieren und anschließend graphbasierte Abfrageperspektiven zu testen.

Erste Importergebnisse

Die Abbildung zeigt die ersten Ergebnisse des Datenbankimports. Aus der Visualisierung werden die zahlreichen redundanten Beziehungen deutlich, die in der Folge zu neuen Modellierungsansätzen für die Verwandtschaftsbeziehungen führten. Ergebnis der Überlegungen war die Reduzierung der möglichen Verwandtschaftsbeziehungen auf die zwei Kantentypen KIND und VERHEIRATET_MIT. Dabei wird eine Kante vom Typ KIND für eine Elternteil-Kind-Beziehung nur einmal vergeben, während eine Kante vom Typ VERHEIRATET_MIT immer zweifach in jeweils umgekehrter Richtung angelegt wird. Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass eine Elternteil-Kind-Beziehung gerichtet ist und zwar in unserem Fall vom Elternteil zum Kind hin, während eine VERHEIRATET_MIT-Beziehung ungerichtet ist: Wenn eine Person mit einer anderen Person verheiratet ist, ist die andere Personen automatisch auch mit der ersten verheiratet. Da im Property-Graph-Modell von neo4j jede Kante genau eine Richtung haben muss, wird die VERHEIRATET_MIT-Kante zweimal in jeweils unterschiedliche Richtung angelegt, während bei der hierarchischen Elternteil-Kind-Beziehung eine Kante ausreicht.

Die Urenkel Pippins

Sind Berchar und Karl der Große verwandt ?

Im folgenden Beispiel soll das Potential der Graphmodellierung von Verwandtschaftsbeziehungen demonstriert werden. In der Datenbank gibt es die Person Berchar. Berchar war ein Hausmeier König Theuderichs III. Die Frage ist nun, ob dieser Berchar mit Karl dem Großen verwandt ist. In der NeG-Datenbank ist ein Verwandtschaftsverhältnis von Berchar zu Karl dem Großen nicht direkt ableitbar.

Berchar in der Nomen-et-Gens-Datenbank

In der Graphdatenbank neo4j wird für eine solche Fragestellung eine Shortest_Path-Abfrage verwendet, die den kürzesten möglichen Weg zwischen zwei Knoten zurück liefert, sofern es einen gibt. Der folgende Cypher-Befehl liefert den Pfad zwischen dem Personenknoten Karls des Großen mit der NeG-ID 7404 und dem Personenknoten von Berchar mit der NeG-ID 7119. Dabei wird die Länge des abzufragenden Pfades auf 15 Kanten begrenzt.

// shortest_path-Abfrage von Karl dem Großen zu Berchar
MATCH (KdG:Person { nid:'7404' })
MATCH (Berchar:Person { nid:'7119' })
p = shortestPath((KdG)-[*..15]-(Berchar))
RETURN p;

Das Ergebnis zeigt, dass Berchar tatsächlich mit Karl dem Großen verwandt ist. Er ist nämlich der Schwiegervater von Drogo (Herzog in Burgund und der Champagne, gest. 708), der wiederum der Bruder des Großvaters Karls des Großen ist.

Der kürzeste Pfad (shortestPath) von Karl zu Berchar.

Zusammenfassung

Mit diesem Beispiel sind die interessanten Erschließungs- und Modellierungsperspektiven für die digitale Genealogie nur angedeutet. Mit Graphentechnologien lässt sich intuitive Datenmodellierung mit sehr flexiblen Erschließungs- und Abfragemöglichkeiten kombinieren.

  1. Informationen zum Projekt „Nomen et Gens“ finden Sie unter http://www.neg.uni-tuebingen.de/ (abgerufen am 10.08.2018). 

  2. Dieses Kapitel geht in großen Teilen zurück auf meinem Aufsatz Graphentechnologien in den Digitalen Geisteswissenschaften, in: ABI Technik 2017; 37(3): 179–196, https://doi.org/10.1515/abitech-2017-0042. URL: https://www.degruyter.com/downloadpdf/j/abitech.2017.37.issue-3/abitech-2017-0042/abitech-2017-0042.pdf, insbesondere die Seiten 179 bis 182 und wurde nur geringfügig ergänzt. Herrn Prof. Dr. Steffen Patzold danke ich herzlich für die Erlaubnis, die Nomen et Gens Daten im Rahmen dieser Publikation zu verwenden (mit Mail vom 22.01.2019).